Der Eingang zählt! (10. Juni 2015)
Wie sensorische Reize neuronale Antworten im Cortex beeinflussen
Während der Wahrnehmung sensorischer Reize sind die Aktivitäten kortikaler Neurone weniger verrauscht und ihre Korrelation untereinander wird schwächer. Diese beiden Aktivitätsmerkmale könnten wesentlich zur optimalen Darstellung sensorischer Information im Gehirn beitragen. Die Mechanismen, welche die kortikale Antworten auf sensorische Eingänge bestimmen, geben Wissenschaftlern bereits seit Jahrzehnten Rätsel auf. Nun gibt es neue Hinweise, wie sie verstanden werden können.
Alejandro F. Bujan, Ad Aertsen und Arvind Kumar vom Bernstein Center Freiburg zeigen in ihrem kürzlich veröffentlichten Artikel im “Journal of Neuroscience”, dass die statistischen Eigenschaften des Eingangssignals bei der Generierung kortikaler Antwortmuster eine Schlüsselrolle spielen und eine effiziente Darstellung dieser Signale ermöglichen könnten. Für dieses Ergebnis griffen sie auf Computersimulationen der Aktivität einzelner Neurone sowie ganzer neuronaler Netzwerken zurück und analysierten die Auswirkungen verschiedener Signalstatistiken auf das Antwortverhalten kortikaler Neurone.
Frühere Ansätze zur Entstehung neuronaler Antworten im Cortex zu sensorischer Reizung beruhten auf der Annahme, dass die Antwortmuster hauptsächlich durch die Verbindungen zwischen Neuronen in den aktivierten Hirnregionen bestimmt sind. Allerdings konnten einige dieser Modelle den Rückgang funktioneller Kopplung (d.h. der Korrelationen) zwischen Neuronen nicht erklären. Wie Bujan und Kollegen in ihrem Artikel verdeutlichen, haben diese Modelle einen wesentlichen Beitrag, nämlich den Faktor, der die Antwortmuster überhaupt erst auslöst, nicht berücksichtigt: das sensorische Eingangssignal!
Die theoretische Studie von Bujan und Kollegen führt eine neue Methode zur Klassifizierung der Eingangsmerkmale ein, mit der der Beitrag des Eingangssignals zur kortikalen Antwort besser verstanden werden kann. Wie die Autoren zeigen, haben einige Merkmale des Eingangssignals hauptsächlich Auswirkungen auf der Ebene einzelner Neurone, während andere ganze Neuronengruppen beeinflussen. Dementsprechend bestimmen Eingangsmerkmale, die einzelne Neurone beeinflussen, das Ausmaß der hervorgerufenen Aktivitätsmodulation, wohingegen solche, die sich auf Neuronenpopulationen auswirken, festlegen, wie die kortikale Aktivität modifiziert wird (siehe Abbildung). Die Autoren legen außerdem nahe, dass diese Klassifizierung in einem natürlichem Verhältnis zu der Art steht, in der Nervenzellen ihre axonale Projektionen in den Kortex aussenden.
Das neue Modell von Bujan und Kollegen ermöglicht eine neue Sicht auf die Art und Weise, in der reiz-evozierte Aktivitätsmuster sowohl von Verbindungen innerhalb des Cortex, als auch von afferenten Verbindungen, die das Eingangssignal von den Sensoren in den Cortex weiterleiten, geprägt werden, und so eine optimale Darstellung des Eingangssignals in der kortikalen Netzwerkaktivität gewährleisten.
Originalveröffentlichung
Bujan AF, Aertsen A, Kumar A (2015) Role of input correlations in shaping the variability and noise correlations of evoked activity in the neocortex. J Neurosci. 35(22):8611-8625
doi:10.1523/jneurosci.4536-14.2015
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Bildunterschrift
Schematische Darstellung der kortikalen Antwort auf ein Eingangssignal (“Stimulus”). Die Achsen in diesem Schema stellen drei wesentliche Merkmale neuronaler Aktivität dar. Die kortikale Aktivität ist durch ausgefüllte Kreise dargestellt. Der schwarze Kreis steht für Ruheaktivität, und der grüne, gefüllte Kreis für die Aktivität, die durch den Reiz hervorgerufen wird (“evoziert”). Die gestrichelte rote Linie zeigt die “Richtung” der Modulation (grüner, leerer Kreis), die den Beitrag der Eingangsmerkmale zur Aktivität der Neuronenpopulation darstellt. Der rote Pfeil deutet das Ausmaß der Änderung an, das durch die Eingangsmerkmale (grüner, leerer Kreis) auf der Ebene einzelner Zellen und die Ruheaktivität (schwarzer Kreis) bestimmt wird.