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In weiter Ferne, so nah! (20. November 2014)

Die Kombination aus Experiment und Berechnung im Computer gibt Aufschluss über die Rolle weitreichender Verbindungen im Gehirn

In weiter Ferne, so nah! (20. November 2014)

Bild verwendet mit freundlicher Genehmigung von: www.kaviarasu.com

Das Gehirn besteht aus großen, miteinander verbundenen Netzwerken von Neuronen. Als Konsequenz kann ein einzelnes Neuron Verbindungen zu vielen tausenden anderen Neuronen haben. Dies bedeutet, dass es Input von vielen tausenden Neuronen bekommen kann und auch Output an viele tausende Neruonen – nicht zwangsläufig dieselben – abgeben kann. Da die Konnektivitätsstruktur dieser Netze entscheidend bestimmt, wie das Gehirn Informationen verarbeitet, suchen Wissenschaftler detailliertere Informationen über diese Struktur und versuchen, ein abstrakteres, theoretisches Modell ihrer Funktion zu schaffen. Bis vor Kurzem wurde angenommen, dass Neuronen im Kortex in der Form sogenannter Säulen angeordnet seien, so dass die meisten in ein Neuron eingehenden Verbindungen von benachbarten Nervenzellen, entweder innerhalb der Säule des betrachteten Neurons oder von Zellen in benachbarten Säulen, stammen. Weitreichende Verbindungen, so dachten Wissenschaftler, stellen nur einen kleinen Teil der gesamten Konnektivitätsstruktur dar und spielen daher nur eine untergeordnete Rolle bei der Informationsverarbeitung.

In einer kürzlich veröffentlichten Studie in der Zeitschrift "Cerebral Cortex" nutzten Forscher des Bernstein Center Freiburg und des Exzellenzcluster BrainLinks-BrainTools eine Verbindung experimenteller (physiologischer, anatomischer) und computergestützter Techniken, um die Rolle weitreichender Verbindungen im primären somatosensorischen Kortex (dem Gehirnbereich, der in die Informationsverarbeitung körperlicher Empfindungen involviert ist) von Ratten zu erforschen. Die Forscher maßen das räumliche Ausmaß der Konnektivität und die physiologischen Eigenschaften weitreichender, horizontaler Verbindungen zu einer der Hauptneuronenklassen im Neokortex. Diese Daten wurden dann in eine Modellsimulation im Computer eingespeist. Die Berechnungen zeigten, dass diese weitreichenden Verbindungen in der Tat die Informationsverarbeitung solcher Netzwerke verbessern können, da Störsignale (vergleichbar mit schlechtem Radioempfang) reduziert werden und andererseits die Signalerkennung (z. B. der sensorische Input, oder, um bei der gleichen Metapher zu bleiben, das Signal des Radiokanals) verbessert wurde.

Philipp Schnepel und seine Kollegen konnten so zeigen, dass die Anzahl an weitreichenden Verbindungen an einer wichtigen Neruonenklasse im Kortex bisher drastisch unterschätzt wurde und dass diese weitreichenden Verbindungen eine wichtigere Rolle bei der Informationsverarbeitung spielen, als bisher angenommen wurde. Weiterhin hat die Menge solcher weitreichender Verbindungen wichtige Implikationen, wenn es um die externe Stimulation dieser Gehirnregion für therapeutische und neurotechnologische Anwendungen geht. Die Autoren erforschen solche Anwendungen im Kontext des Exzellenzclusters BrainLinks-BrainTools: Einerseits ergibt sich aus diesen neuen Daten, dass der Effekt therapeutischer Stimulierung des Gehirns verlässlicher und effektiver sein könnte als erwartet, während andererseits Antworten weiter gefächert und daher weniger spezifisch sein könnten. 

Originalveröffentlichung:

Philipp Schnepel, Arvind Kumar, Mihael Zohar, Ad Aertsen und Clemens Boucsein (2014) Physiology and Impact of Horizontal Connections in Rat Neocortex. Cerebral Cortex, doi: 10.1093/cercor/bhu265

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