Automatisch Epileptische Anfälle erkennen
Wissenschaftler in Freiburg entwickeln neue Methoden zur Erkennung und Klassifizierung epileptischer Anfälle
Freiburg, 26.05.2008
Epilepsie-Patienten
leiden unter plötzlichen Krampfanfällen, die durch die gleichzeitige Entladung
einer großen Anzahl von Nervenzellen im Gehirn ausgelöst werden. Jeder Anfall
trifft sie wie aus heiterem Himmel - wenn sich ein Gewitter neuronaler
Aktivität im Gehirn zusammenbraut, bekommen sie davon nichts mit.
Wissenschaftler um Ralph Meier und Ad Aertsen am Bernstein Zentrum für
Computational Neuroscience und der Universität Freiburg haben nun eine Methode
entwickelt, mit der die Gehirnströme der Patienten gemessen und gleichzeitig
automatisch ausgewertet werden können. Da Veränderungen neuronaler Aktivität
meist einige Sekunden vor den ersten äußeren Anzeichen des Anfalls auftreten,
könnten Patienten und Klinikpersonal mit dieser Methode bei einem nahenden
Anfall vorgewarnt werden. In Zukunft hofft man außerdem auf die Entwicklung von
Implantaten, die gezielt Gehirnströme beeinflussen um einem beginnenden Anfall
entgegenzuwirken. Für solche Systeme ist die rechtzeitige Erkennung des
nahenden Anfalls eine Voraussetzung.
Dem Freiburger Verfahren zur Datenauswertung liegt die Elektroenzephalographie
(EEG) zu Grunde. Mit Hilfe von auf der Kopfhaut angebrachten Elektroden werden
Spannungsveränderungen des Gehirns durch die Schädeldecke gemessen. Bei einem
epileptischen Anfall kommt es - je nach Anfallstyp - zu verstärkten Entladungen
in bestimmten Frequenzbereichen oder es treten ungewöhnliche Entladungsmuster
auf. Auch im gesunden EEG treten Schwingungen in verschiedenen
Frequenzbereichen auf, die jeweils bestimmte Zustände des Gehirns wie Schlaf,
Dösen oder Erregung widerspiegeln. Diese gesunden Schwingungsmuster mit Hilfe
mathematischer Algorithmen von den epileptischen Entladungen verlässlich zu
unterscheiden ist das Ziel der Freiburger Wissenschaftler.
Bisher gab es schon einige Ansätze, mit Hilfe von mathematischen Algorithmen
die Auswertung des EEG zu automatisieren. Nicht jedes Verfahren aber eignet
sich für jede Form von Anfällen. Um eine optimale Erfassung aller Anfallstypen
zu gewährleisten, nutzten die Wissenschaftler um Meier daher verschiedene
mathematische Auswertungsverfahren parallel.
"Unsere Methode bedarf keiner individuellen Anpassung,
darüberhinaus eignet sie sich für alle Anfallstypen", erklärt Meier.
An etwa 1400 Stunden Langzeit-EEG mit insgesamt 91 verifizierten Anfällen
wendeten Meier und seine Kollegen das Verfahren an um seine Leistungsfähigkeit
zu überprüfen. Fast alle Anfälle wurden von dem Verfahren rechtzeitig erkannt.
Nur etwa einmal alle zwei Stunden produzierte ihr System eine Fehlankündigung
eines Anfalls, der dann nicht stattfand. Damit zeigt das Verfahren eine bessere
Erkennungsgenauigkeit, als bisherige Methoden. Zusätzlich konnte das System
verschiedene Anfallverläufe voneinander unterscheiden und trägt damit zur
Epilepsiediagnose bei. "Im Prinzip ist das Programm bereit für eine
klinische Anwendung, es sind nur noch ein paar technische Hürden bei der
routinemässigen Anbindung an die klinsche Datenerfassung zu nehmen", sagt
Meier.
Originalveröffentlichung:
Ralph Meier, Heike
Dittrich, Andreas Schulze-Bonhage, Ad Aertsen (2008). Detecting
epileptic seizures in long-term human EEG: A
new approach to automatic online and real-time detection and classification
of polymorphic seizure patterns.
Journal of Clinical Neurophysiology, online publiziert am 8. Mai 2008
Kontakt:
Dr. Ralph Meier
Bernstein Center for Computational Neuroscience
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Schänzlestr. 1
79104 Freiburg
Tel.: 0761/203-2864
E-Mail: meier@biologie.uni-freiburg.de