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  Hochschule/Bildung




 Badische Zeitung vom Mittwoch, 21. Januar 2004 

Wie aus Denken Bewegung wird
Freiburger Neurobiologen erforschen Gehirnsignale zur Steuerung natürlicher und vielleicht auch einmal künstlicher Gliedmaßen

Von unserer Mitarbeiterin Eva Opitz
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Gehirnströme lassen sich über ein EEG messen (unser Bild) - präziser aber über Elektroden an der G ...mehr
Als Science-Fiction klappte das schon längst: Allein durch die Kraft des Denkens bewegen sich Humanoide und andere Außerirdische im Raum. Nun könnte aus der Fiktion Science, also Wissenschaft, werden. Ein Forscherteam der Universität Freiburg hat zumindest den Weg gezeigt, wie Gehirnströme künstliche Gliedmaßen bewegen könnten. Die Wissenschaftler um Professor Ad Aertsen, Leiter der Neurobiologie und Biophysik am Biologischen Institut, haben die Signale analysiert, mit denen das Gehirn Arme in Bewegung setzt.

Für die Neurobiologen sind die Areale der Großhirnrinde einem globalen Kartenwerk vergleichbar. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, welcher Bereich für die Bewegungen bestimmter Körperteile zuständig ist. Vom Kopf ausgehend, erreichen die Signale der Nervenzellen das Rückenmark, das wiederum Arm- und Beinbewegungen einleitet. "Werden Nervenbahnen zwischen Gehirn und Rückenmark unterbrochen, kann die Aktivität der Nervenzellen nicht weitergeleitet werden", sagt Ad Aertsen.

Für ihn und sein Freiburger Wissenschaftlerteam sind die Signale der Nervenzellen daher der wichtigste Schlüssel zur Analyse von Bewegungen. Sie können dabei auf den Ergebnissen Tübinger Forscher aufbauen. Mittels eines so genannten Elektroenzephalogramms (EEG), bei dem Elektroden auf der Kopfhaut befestigt werden, werden die Gehirnströme von Probanden gemessen. Deren Spannung wird auf einem Monitor mittels Zeigers sichtbar.

Was Gehirnforscher schon bei früheren Untersuchungen überraschte: Die Probanden können die Bewegungen dieses Zeigers allein durch ihre Gedanken beeinflussen. Und zwar mit einer erstaunlichen Präzision: Werden die Zeigerbewegungen über einer auf dem Bildschirm sichtbaren Buchstabentastatur ausgeführt, können gelähmte Patienten auf diese Weise sogar Briefe schreiben.

Um der Art dieser Signale auf die Spur zu kommen, konzentrieren sich Aertsen und seine Mitarbeiter heute auf die elektrische Aktivität von einigen hundert bis tausend Nervenzellen. Ihre Messungen führen sie an Versuchstieren aus, deren Gehirnsignale mittels Elektroden in der Großhirnrinde aufgefangen werden. "Wir greifen das Signal direkt ab", erklärt Carsten Mehring vom Institut für Biologie. Vorteil dieser Methode gegenüber dem nur am Kopfäußeren ansetzenden EEG ist die wesentlich bessere räumliche und zeitliche Auflösung der Signale. "Das ist, als ob man vorher durch eine Milchglasscheibe geblickt hat und jetzt durch ein Glasfenster guckt", sagt Projektleiter Stefan Rotter.

Die Wissenschaftler versprechen sich von diesen Untersuchungen zudem aussagekräftigere Ergebnisse, als wenn sich die Messung nur auf eine einzelne Zelle beschränken würde. "Es ist viel schwieriger, die Aktivität von Einzelzellen über einen langen Zeitraum sicher abzuleiten", berichtet Aertsen.

Aus dem stabilen Gruppensignal vieler Elektroden lesen die Biologen nicht nur die Stärke des Signals insgesamt ab. Die aufgezeichneten Aktivitäten des Gehirns zeigen überdies deutliche Unterschiede, je nachdem ob der rechte oder der linke Arm bewegt wird. "Zu 90 Prozent können wir die Bewegungsrichtung vorhersagen", sagt Aertsen. Möglich wird die Kommunikation mit den Nervenzellen des Gehirns durch Rechenprogramme, die den Neurobiologen überhaupt erst erlauben die elektrischen Nachrichten aus der Großhirnrinde zu entschlüsseln. Aertsen: "Der Computer bildet für uns die Brücke zwischen Nervenzellen und Bewegung."

Dass die von Computerprogrammen umgewandelten Bewegungskommandos des Gehirns eines Tages direkt auf die Muskeln eines Armes übertragen werden können, dessen Nervenverbindung zum Rückenmark und damit zum Gehirn blockiert oder durchtrennt ist, können sich die Wissenschaftler aufgrund ihrer bisherigen Forschungsergebnisse inzwischen in der Theorie vorstellen. "Aber wir sind zur Zeit noch weit von der Realisierung entfernt", dämpft Aertsen vorschnelle Hoffnungen auf die Anwendbarkeit seiner Erkenntnisse: "Das gilt auch für die Forschung mit künstlichen Gliedmaßen wie Roboterarmen."

Untersuchungen auch an Epileptikern

Die heutigen Resultate stellten nur eine erste Stufe dar, von der ausgehend neuartige Ansteuerungen für Prothesen konstruiert werden könnten. In einem weiteren Schritt müsse überprüft werden, welche Gültigkeit die an Tieren vollzogenen Analysen für den Menschen hätten. Aufschluss versprechen sich die Forscher von Messungen der Gehirnströme bei Epilepsiepatienten.

Diese Messungen finden in Zusammenarbeit mit der neurochirurgischen Abteilung der Universitätsklinik statt. Die Patienten, die auf eine medikamentöse Behandlung nicht ansprechen, tragen ein Netz von Elektroden direkt auf der Oberfläche der Großhirnrinde. So kann der Anfallsherd ausfindig gemacht werden - Vorbereitung zu einem operativen Eingriff. "Wir wollen untersuchen, ob auch die mit dieser Methode gemessenen Signale verwertbar sind", sagt Aertsen. Damit die Signale der Nervenzellen tatsächlich zur Steuerung auf künstliche Gliedmaßen übertragen werden könnten, müssen die Programme zur Entschlüsselung des Nervensignals schneller und noch zuverlässiger werden, fordert Aertsen. Das Ziel sei eine Prothese, die sogar einzelne Fingerbewegungen ermögliche. Und wie Science-Fiction klingt es, wenn der Biologe von intelligenten Robotergliedmaßen spricht, die Signale aus der Großhirnrinde eigenständig interpretieren und Rückkoppelungen von Tastinformationen dafür nutzen, Finger noch sicherer zu bewegen. "Ein Roboter mit Eigenintelligenz klärt das selbst", sagt Aertsen.

 



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