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Gehirnströme lassen sich über ein EEG messen (unser Bild) - präziser aber über Elektroden an der G ...mehr |
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Als
Science-Fiction klappte das schon längst: Allein durch die Kraft des
Denkens bewegen sich Humanoide und andere Außerirdische im Raum. Nun
könnte aus der Fiktion Science, also Wissenschaft, werden. Ein
Forscherteam der Universität Freiburg hat zumindest den Weg gezeigt,
wie Gehirnströme künstliche Gliedmaßen bewegen könnten. Die
Wissenschaftler um Professor Ad Aertsen, Leiter der Neurobiologie und
Biophysik am Biologischen Institut, haben die Signale analysiert, mit
denen das Gehirn Arme in Bewegung setzt.
Für die
Neurobiologen sind die Areale der Großhirnrinde einem globalen
Kartenwerk vergleichbar. Wissenschaftliche Untersuchungen haben
gezeigt, welcher Bereich für die Bewegungen bestimmter Körperteile
zuständig ist. Vom Kopf ausgehend, erreichen die Signale der
Nervenzellen das Rückenmark, das wiederum Arm- und Beinbewegungen
einleitet. "Werden Nervenbahnen zwischen Gehirn und Rückenmark
unterbrochen, kann die Aktivität der Nervenzellen nicht weitergeleitet
werden", sagt Ad Aertsen.
Für ihn und sein Freiburger Wissenschaftlerteam sind die Signale
der Nervenzellen daher der wichtigste Schlüssel zur Analyse von
Bewegungen. Sie können dabei auf den Ergebnissen Tübinger Forscher
aufbauen. Mittels eines so genannten Elektroenzephalogramms (EEG), bei
dem Elektroden auf der Kopfhaut befestigt werden, werden die
Gehirnströme von Probanden gemessen. Deren Spannung wird auf einem
Monitor mittels Zeigers sichtbar.
Was Gehirnforscher schon bei früheren Untersuchungen überraschte:
Die Probanden können die Bewegungen dieses Zeigers allein durch ihre
Gedanken beeinflussen. Und zwar mit einer erstaunlichen Präzision:
Werden die Zeigerbewegungen über einer auf dem Bildschirm sichtbaren
Buchstabentastatur ausgeführt, können gelähmte Patienten auf diese
Weise sogar Briefe schreiben.
Um der Art dieser Signale auf die Spur zu kommen, konzentrieren
sich Aertsen und seine Mitarbeiter heute auf die elektrische Aktivität
von einigen hundert bis tausend Nervenzellen. Ihre Messungen führen sie
an Versuchstieren aus, deren Gehirnsignale mittels Elektroden in der
Großhirnrinde aufgefangen werden. "Wir greifen das Signal direkt ab",
erklärt Carsten Mehring vom Institut für Biologie. Vorteil dieser
Methode gegenüber dem nur am Kopfäußeren ansetzenden EEG ist die
wesentlich bessere räumliche und zeitliche Auflösung der Signale. "Das
ist, als ob man vorher durch eine Milchglasscheibe geblickt hat und
jetzt durch ein Glasfenster guckt", sagt Projektleiter Stefan Rotter.
Die Wissenschaftler versprechen sich von diesen Untersuchungen
zudem aussagekräftigere Ergebnisse, als wenn sich die Messung nur auf
eine einzelne Zelle beschränken würde. "Es ist viel schwieriger, die
Aktivität von Einzelzellen über einen langen Zeitraum sicher
abzuleiten", berichtet Aertsen.
Aus dem stabilen Gruppensignal vieler Elektroden lesen die Biologen
nicht nur die Stärke des Signals insgesamt ab. Die aufgezeichneten
Aktivitäten des Gehirns zeigen überdies deutliche Unterschiede, je
nachdem ob der rechte oder der linke Arm bewegt wird. "Zu 90 Prozent
können wir die Bewegungsrichtung vorhersagen", sagt Aertsen. Möglich
wird die Kommunikation mit den Nervenzellen des Gehirns durch
Rechenprogramme, die den Neurobiologen überhaupt erst erlauben die
elektrischen Nachrichten aus der Großhirnrinde zu entschlüsseln.
Aertsen: "Der Computer bildet für uns die Brücke zwischen Nervenzellen
und Bewegung."
Dass die von Computerprogrammen umgewandelten Bewegungskommandos
des Gehirns eines Tages direkt auf die Muskeln eines Armes übertragen
werden können, dessen Nervenverbindung zum Rückenmark und damit zum
Gehirn blockiert oder durchtrennt ist, können sich die Wissenschaftler
aufgrund ihrer bisherigen Forschungsergebnisse inzwischen in der
Theorie vorstellen. "Aber wir sind zur Zeit noch weit von der
Realisierung entfernt", dämpft Aertsen vorschnelle Hoffnungen auf die
Anwendbarkeit seiner Erkenntnisse: "Das gilt auch für die Forschung mit
künstlichen Gliedmaßen wie Roboterarmen."
Untersuchungen auch an Epileptikern
Die heutigen Resultate stellten nur eine erste Stufe dar, von der
ausgehend neuartige Ansteuerungen für Prothesen konstruiert werden
könnten. In einem weiteren Schritt müsse überprüft werden, welche
Gültigkeit die an Tieren vollzogenen Analysen für den Menschen hätten.
Aufschluss versprechen sich die Forscher von Messungen der Gehirnströme
bei Epilepsiepatienten.
Diese Messungen finden in Zusammenarbeit mit der neurochirurgischen
Abteilung der Universitätsklinik statt. Die Patienten, die auf eine
medikamentöse Behandlung nicht ansprechen, tragen ein Netz von
Elektroden direkt auf der Oberfläche der Großhirnrinde. So kann der
Anfallsherd ausfindig gemacht werden - Vorbereitung zu einem operativen
Eingriff. "Wir wollen untersuchen, ob auch die mit dieser Methode
gemessenen Signale verwertbar sind", sagt Aertsen. Damit die Signale
der Nervenzellen tatsächlich zur Steuerung auf künstliche Gliedmaßen
übertragen werden könnten, müssen die Programme zur Entschlüsselung des
Nervensignals schneller und noch zuverlässiger werden, fordert Aertsen.
Das Ziel sei eine Prothese, die sogar einzelne Fingerbewegungen
ermögliche. Und wie Science-Fiction klingt es, wenn der Biologe von
intelligenten Robotergliedmaßen spricht, die Signale aus der
Großhirnrinde eigenständig interpretieren und Rückkoppelungen von
Tastinformationen dafür nutzen, Finger noch sicherer zu bewegen. "Ein
Roboter mit Eigenintelligenz klärt das selbst", sagt Aertsen.
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